Die Kolloquien zur Polizeigeschichte gehen hervor aus den Forschungsinteressen ihres Initiators Alf Lüdtke. Ihm war es von Anfang an ein Anliegen, der Polizeigeschichte eine spezifische, neue Signatur zu geben, die sich von den bis zu diesem Zeitpunkt herkömmlichen, eher traditionell-rechtshistorisch ausgerichteten Herangehensweisen unterschied. Alf Lüdtke verstand Polizei konsequent als Teil eines Herrschaftsgefüges, das für ihn nie abstrakt blieb. Dieses Herrschaftsgefüge versuchte er in den Praktiken der im Alltag vor Ort arbeitenden Polizisten zu entdecken.
Die Einführung der Kolloquien zur Polizeigeschichte markierte gleichzeitig die Etablierung der wissenschaftlichen Polizeigeschichtsforschung. Anlässlich des Deutschen Historikertags in Bochum im September 1990 initiierte Lüdtke erstmalig eine Sektion zur Polizeigeschichte,[1] zu deren Vorbereitung er 1989 einen Polizeigeschichtlichen Arbeitskreis ins Leben rief.
Die von ihm angeregten Folgeveranstaltungen der Bochumer Sektion in den ersten beiden Jahren nach 1990 waren eher Versuche im kleinen Kreis. Während die ersten Kolloquien vor allem polizeihistorischen Bestandsaufnahmen dienten, stand ab Mitte der 1990er Jahre eine Vielzahl von Themenschwerpunkten auf dem Programm, die von den jeweiligen Ausrichtenden bzw. Organisatorinnen und Organisatoren vor Ort gesetzt wurden.
Die von Alf Lüdtke formulierten konzeptuellen Rahmungen polizeigeschichtlicher Forschung behielten in den späteren Kolloquien ihre Relevanz, ohne diese einzuengen. Dazu trug auch das Basiskonzept der Reihe bei: Die Jahrestagungen finden stets an wechselnden Orten statt, organisiert von dortigen Kolleginnen und Kollegen, wenn sich auch im Lauf der Zeit ein fester Stamm an konzeptionellen Vorbereitern herauskristallisierte. Die von einem Kolloquium zum nächsten wechselnden Veranstalterinnen und Veranstalter sowie die unterschiedlichen Veranstaltungsorte können auch als Hinweis darauf verstanden werden, dass sich Polizeigeschichte im deutschsprachigen Raum mittlerweile in der Fläche universitären Interesses ausgebreitet hat.
Nicht nur inhaltlich, sondern auch was die innere Organisation des Polizeigeschichtlichen Kolloquiums anbetrifft, hat Alf Lüdtke nachhaltige Spuren hinterlassen. Auf sein Betreiben hin gibt es seit Mitte der 1990er Jahre einen – damals in Deutschland erst ansatzweise üblichen – Call for Papers, und mit einer thematisch ungebundenen freien Tagungssektion sollte Raum für die Präsentation von Projekten jüngerer Nachwuchshistorikerinnen und -historiker geschaffen werden, die dadurch Gelegenheit erhält, vor einem kritischen, aber zugleich wohlwollenden Fachpublikum ihr Konzept und erste Thesen vorzustellen. Stets zeigt sich das Kolloquium auch offen für Polizeibeamtinnen und -beamte, interessierte Nichthistorikerinnen und -historiker und Vertreter anderer Disziplinen. Kennzeichnend für die interdisziplinäre Tagungsreihe ist bis heute eine demokratisch-partnerschaftliche Atmosphäre ohne hierarchisches Denken.
[1] Sektion 15: „Sicherheit“ und „Wohlfahrt“. Polizeiliches Handeln vom Frühkonstitutionalismus zur Weimarer Republik; vgl. Bericht über die 38. Versammlung deutscher Historiker in Bochum, 26. bis 29. September 1990, Stuttgart 1991, S. 262-276.